Ring von Julia Mashkovich

Interview mit Lisi BernroitherBrunnenpassage24.04.2015
„Ich habe diesen Ring vor über 20 Jahren von meiner Mutter in Jerusalem geschenkt bekommen. Ich trage ihn täglich, er ist wie ein Teil meiner selbst.“
Sie empfindet sich als eine Art Sammelbecken unterschiedlicher kultureller Traditionen – solange sie lebt, geht diese Sammlung weiter.

Julia Mashkovich liebt Flohmärkte und hat eine große Leidenschaft für interessante alte Gegenstände, von denen sie bereits eine ganze Sammlung hat. Sie stammt ursprünglich aus Moskau und ist mit 15 Jahren nach Israel ausgewandert. Dort hat sie 18 Jahre lang gelebt, ist dann für kurze Zeit nach Zürich gezogen, dann wieder zurück nach Israel und vor sechs Jahren nach Wien. Die meisten ihrer Objekte sind in Israel geblieben und stehen dort in einem Regal.

Ihren Silberring hat Julia jedoch immer dabei, auch wenn sie reist oder umzieht. Er ist für sie wie ein Teil ihrer selbst. Sie betrachtet ihn nicht als einen Gegenstand, sondern als Teil ihrer Identität.

Julia besitzt diesen Ring nun exakt 20 Jahre. Sie hat ihn Ostern 1995 von ihrer Mutter geschenkt bekommen, mit der sie damals in Haifa (Nordisrael) wohnte. Diese hatte ihr den Ring bei einem Tagesausflug von einem Kunstmarkt in Jerusalem mitgebracht. Er hat ihr sofort gepasst. Sie trägt ihn seitdem täglich, obwohl ihr sonst Schmuck nicht so wichtig ist. Ihr Kleidungsstil hat sich zwar im Laufe der Jahre verändert, der Ring hat ihr jedoch immer gefallen. Er ist für Julia das einzige Geschenk ihrer Mutter, das immer noch wertvoll und bedeutsam für sie ist. Auch wenn er keinen nennenswerten finanziellen Wert hat.

Auf dem Ring sind ägyptische Hieroglyphen eingearbeitet. Julia glaubt jedoch nicht, dass der Ring aus Ägypten stammt. Sie weiß nicht, was die Hieroglyphen bedeuten, hat zwar einmal gelernt, Hieroglyphen zu lesen, es aber wieder vergessen.

Bei einer ihrer Reisen wurden Julia alle ihre Wertgegenstände gestohlen – durch einen glücklichen Zufall war der Ring aber nicht darunter.

Über „Kultur“ zu sprechen, ist für Julia schwierig, da sie selbst ihre „Heimat“ nicht mehr definieren kann. Sie vermeidet den Begriff. Während sie in jüngeren Jahren noch sagen konnte, sie sei eine „Russin, die in Israel lebt“, ist das jetzt aufgrund ihrer transnationalen Verflechtungen nicht mehr möglich. Wenn sie es aber versuchen müsste, würde sie sagen, der Begriff „Kultur“ lasse sich in seiner ursprünglichen Bedeutung länderspezifisch verorten. Kultur bedeutet für sie lokale Traditionen, Geschichten, Ideen und lokales Erbe – das, was von Menschen geschaffen wurde.

Sie betrachtet sich aber lieber einfach als einen Menschen, der in unterschiedlichen Ländern viel gesehen, erlebt und gespürt hat. Aus all den Ländern, in denen sie gelebt hat, hat Julia die Traditionen mitgenommen, die für sie wichtig und interessant waren. Sie empfindet sich somit als eine Art Sammelbecken unterschiedlicher kultureller Traditionen – solange sie lebt, geht diese Sammlung weiter.

Was weiter passieren wird, weiß sie nicht, aber: Heute lebt sie in Wien – morgen „hoffentlich auch noch“.

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