Anonymisierungshut von Miko

Interview mit Karin Schneider22.08.2016
„Ein Objekt wie der Anonymisierungshut wirkt dafür wie ein Traumfänger, er fängt die Last in seinem Kopf auf und übernimmt sie für ihn.“

 

„Genau gesagt – das ist ein Hut! Der Hut ist sehr alt, Miko hat ihn in einem Modegeschäft gekauft, auch sein Vater hat ihn getragen. Im Spacelab hat Miko dann Vorhangfransen drauf gemacht. Viele denken, er wäre so zu tragen, als hätte er hinten eine Perücke. Tatsächlich dienen die Fransen dazu, das Gesicht zu verstecken – die Lücken zwischen den Fransen werden noch zunehmend von Miko ergänzt, so dass dann wirklich alles vom Gesicht verdeckt ist; so getragen ist der Vorhanghut vielleicht auch ein bisschen gruslig, das könnte eine Kritik an ihm sein, die man einstecken muss. Alles was Miko macht, hat auch etwas mit ihm zu tun: Er versteckt sich gerne, wenn er etwas erreicht hat oder erreichen möchte, vor allem wenn er als Sänger auf der Bühne steht. Mit dem Hut läuft er nicht immer herum, er schämt sich auch nicht auf der Straße, aber die Anonymität bei Bühnenauftritten ist ihm sehr wichtig. Es ist ein Zeichen, dass er noch nicht bereit ist, sein Gesicht zu zeigen, vielleicht später einmal, wenn er berühmt ist. Schon als Kind hat er sich wohler gefühlt bei Fotos seine Hand vor das Gesicht zu halten und wenn einer zum Gruppenfoto ruft, dann läuft er weg – Fotophobie nennt er das. Mit dem Hut auf der Bühne sieht er zwar das Publikum nicht, aber interagiert mit ihm; das Publikum jedoch sieht ihn und denkt sich seinen Teil und der Hut hilft, die Nervosität zu bewältigen, einen eigenen Schutzraum zu haben, von dem aus agiert werden kann. Manchmal braucht Miko viel Ruhe um für solche Auftritte Kraft zu haben, dann geht er auf die Donauinsel, schläft in einem Boot, geht schwimmen oder auch Reiten, malen oder tanzen – und bei all dem hat er den Hut mit und wenn sich die Gelegenheit bietet, setzt er ihn auf. All das hat vermutlich auch mit seiner Geschichte als Mobbingopfer zu tun. Darüber wollte er auch in Spacelab ein Projekt machen: „Be yourself“, einen Film der zeigt, wie man sich als Opfer oder Täter von Mobbing fühlt. Früher gab es sehr viele Momente, bei denen er sich geritzt hat. Das wäre, meint Miko, jedoch kein befreiendes Gefühl; Mobbingopfer versuchen sich selbst zu verletzen, bevor sie von anderen verletzt werden, aber sie fühlen sich dadurch noch schlechter. Heute sieht Miko das so, dass jeder Mensch perfekt ist und all diese erlebten Geschichten Teil seines Lebens sind und das auch bleiben, selbst dann, wenn man sich denkt, sie sind verarbeitet. Diese Teile sind dabei unglaublich produktiv, haben sie ihn doch zu dem gemacht was er heute ist. Heute spüre er den Schmerz nicht mehr. Die Freunde sagen ihm immer, er solle sich viele Dinge die andere sagen, nicht gefallen lassen, sonst werde er explodieren. Aber das wird er nicht – die schrecklichen Dinge, die er gesagt bekommt, weil er anders, vielleicht ein bisschen verrückt ist, gehen zwar in den Kopf hinein, aber sie stören dort nicht mehr. Ein Objekt wie der Anonymisierungshut wirkt dafür wie ein Traumfänger, er fängt die Last in seinem Kopf auf und übernimmt sie für ihn. Den Hut können auch andere benutzen, dafür wäre er auch da. Das einzige was Miko stört ist, dass es eine Sängerin gibt, Sia, die sich auch mit Hüten bedeckt, aber wenn ihn jemand darauf anspricht sagt er einfach, dass er im Gegensatz zu ihr schon seit seiner Kindheit sein Gesicht bedeckt.

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