Brieföffner von Nathalie Rouanet

Interview mit Lisa ZaludBrunnenpassage08.05.2015
„Ein Jahrhundert Europageschichte und meine Familiengeschichte.“

Nathalie Rouanet fand vor einem Jahr im Arbeitszimmer ihres Großvaters in Südfrankreich einen Brieföffner aus dem 1. Weltkrieg. Wie dieser Gegenstand in den Besitz der Familie gekommen ist und wer ihn hergestellt hat, ist aber ein großes Rätsel. Ob ihr Großvater den Brieföffner von seinem Vater oder irgendjemandem anderen geschenkt bekommen hat oder ihn auf einem Flohmarkt kaufen konnte, wird sie nicht mehr erfahren, da er bereits vor 15 Jahren verstorben ist.

Der Brieföffner besteht aus zwei Patronen. Eine davon ist horizontal angelegt und die andere dient als Griff. Darauf wurden eine Brieftaube, Blumen, Initialen und ein Anker eingearbeitet und es findet sich die Datierung 1914‒1917. Dreht man den Griff, wird das Wort „Souvenir“ erkennbar. Nach Recherchen bestätigte sich Nathalies Vermutung, dass es sich um „artisanat de tranchée“ ‒ sogenannte Schützengrabenkunst ‒ handelt.

Um sich die Zeit zu vertreiben, haben Soldaten im Schützengraben aus Patronen diverse Objekte hergestellt. Viele waren dafür gedacht, an die Ehefrau, die Verlobte oder die Kriegspatin zu Hause geschickt oder an die Dorfbevölkerung verkauft zu werden. Zu finden sind diese Objekte in ganz Europa.

Für Nathalie repräsentiert der Brieföffner ein Jahrhundert Geschichte Europas und ihre Familiengeschichte. Ihr Großvater und dessen zwei Brüder waren im 2. Weltkrieg im französischen Widerstand. Einer davon ist im KZ gestorben, ihr Großvater hat überlebt. Über seine Erfahrungen hat er aber nie gesprochen und es war zu spät, bevor man ihm die richtigen Fragen hätte stellen können.

Der Brieföffner ist das einzige Erbstück, das Nathalie als Gegenstand der Erinnerung an ihre Familie mitgenommen hat. Sie bewahrt ihn gut sichtbar auf ihrem Schreibtisch auf.

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