Fundstück von Alexander Urosevic

Interview mit Lisa ZaludBrunnenpassage24.04.2015
"Dieses kleine Holzstück ist für mich so, als ob die großen Probleme dieser Welt auf den Punkt gebracht worden wären […]"

„Ein kleines Universum, ein kleiner Kosmos, der mit der Zeichnung auf dem Stück Holz eingefangen wurde.“ Vor zwei Jahren begab sich Alexander Urosevic auf die Spuren seiner Großmutter, die in den 50er Jahren mit einem Frachtschiff die westafrikanische Küste bereiste. Als er in der Nähe eines Fischerdorfs in Ghana an Land ging, fiel sein Blick auf eine Gruppe von kleinen Kindern, die sich sehr vertieft einem Spiel widmeten. Kurze Zeit später verloren sie aber das Interesse und liefen weg. Sie ließen alles zurück, womit sie sich eben beschäftigt hatten. Alleine diese Beobachtung war für Alexander etwas Besonderes und er interessierte sich für ihr Spiel. Er fand mehrere Holzstücke, auf die sie eben gezeichnet hatten. Eines davon nahm er mit. Bei näherer Betrachtung konnte er zwei aufgezeichnete Strichfiguren ausmachen. Eine davon ist sehr dünn und hat keinen Mund. Alexanders Interpretation ist, dass sie „weder etwas zu essen noch etwas zu sagen hat“. Das zweite Männchen stehe hingegen für die reiche Welt, die Welt des Überflusses. Es wirkt gut genährt und stopft etwas in sich hinein oder holte etwas aus sich heraus. Für Alexander versinnbildlicht diese Zeichnung die Ungerechtigkeiten der Welt, den Hunger und die „nicht vorhandenen Möglichkeiten“ vor Ort.

Nach seinen Schilderungen sieht sich dieses Fischerdorf mit internationalen Konzernen konfrontiert, die das Meer vor Ghana mit riesigen Fischtrawlern leerfischen. Der Fangfisch vor der Küste wird immer weniger und die Fischer müssen demnach immer weiter hinausfahren, um ihren Ertrag halten zu können. Mittlerweile importiert Ghana Fisch, obwohl sie das Meer „direkt vor der Haustüre haben“. Der Beruf des Fischers war an sich ein sehr angesehener und viele junge Männer strebten ihn an. Gute Verdienstmöglichkeiten garantierten ein gutes Auskommen.

Laut Alexander hat sich die Situation aber stark geändert und viele entscheiden sich eher wegzugehen und ihr Glück woanders zu suchen. Er sieht einen starken Zusammenhang zwischen der aufkommenden Migration und der momentanen Situation der Fischerei.

Für Alexander ist es kein Zufall, dass die beiden Strichmännchen auf diese Art gestaltet wurden. Die Kinder „sind zwar klein, aber bekommen durchaus auch mit, wenn der Vater keinen Fisch nach Hause bringt“. Durch die Nähe zum Industriehafen werden sie mit der globalen Welt konfrontiert und erleben, wie Frachtschiffe und Container Luxusgüter anliefern, die nur für wenige zugänglich sind.

Dem Holzstück, vermutlich ein Teil einer Palette, wurde durch die „Kritzelei“ eine Seele eingehaucht und die Probleme dieser Welt wurden auf den Punkt gebracht.

Für Alexander hat der Gegenstand einen ganz besonderen Stellenwert. Materiell gesehen ist er wertlos, aber die Inspiration des Kindes und die Geschichte, die es erzählt, macht es zum „absoluten Lieblingsstück“ seiner Reise. Kein Souvenir oder gekaufter Gegenstand könnte für ihn den Wert dieses kleinen Fundstücks übertreffen. Er bewahrt es sehr gut verpackt in einem Stoffsäcken, das wiederum in einer Metallkiste liegt, bei sich zuhause auf.

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