Kirschstengel geknotet von Marie Dann

Interview mit Karin Schneider05.06.2015
 „Du wirst nicht glauben, in welcher Situation die Dinge von Bedeutung sind oder nützlich. Es kommt immer ein Moment, wo das Objekt oder das Ding eine Rolle spielt.“

Die Künstlerin Marie Dann brachte einen Kirschstengel einer Doppelkirsche in den sie im Mund einen Knoten gemacht hatte – Kirschstengelknoten mit dem Mund zu machen ist eine ihrer neuen Fähigkeiten. Der Kirschstengel mit dem Knoten liegt in einer Schachtel, in der sie Dinge einer Sammlung aufbewahrt, die sich ständig verändert. Insgesamt hat Marie vier solche Knoten, drei liegen bei ihr zu Hause in Braunschweig auf dem Regal.

 

Dieses Objekt ist das erste, das ihr in den Sinn kam. Marie hat immer relativ viele zufällige Sachen dabei, vor allem, wenn sie auf Reisen ist, und es ist für sie oft kaum zu glauben, in welcher Situation diese Dinge dann von Bedeutung werden können. Dennoch packt sie diese Dinge nicht bewusst ein: Ihr Handtasche ist ziemlich geräumig und darin gibt es ein Innenfach, in diesem ist eine größere Sammlung und die Schachtel mit dem Kirschstengel ist Teil davon – so ist die Tasche eigentlich ein Museum von Erinnerungen an sie selbst, das sie immer bei sich trägt. Es war für Marie immer schon so, dass ihr ganz kleine Objekte wichtig waren, Objekte die sie mitgenommen und gehütet hat, die für sie einen Wert hatten, der für Außenstehende nicht nachvollziehbar war. Mittlerweile wurden für Marie als Künstlerin diese kleinen Ding-Sammlungen zu Werkzeugkästen, zu Spielanleitungen aus welchen sie schöpft um Geschichten zu erzählen:

Diese Geschichte entstand letzten Sommer: „da saßen wir auf einer Wiese und einer hatte ganz viele Kirschen mit und da hat irgendwer gesagt: Hast Du schon gehört man kann mit dem Mund Knoten in einen Kirschstengel machen?“ Das benötigt Fertigkeit, Konzentration und Technik, das muss man erst lernen, denn alleine das Wissen, wie man einen Knoten im Alltag macht, reicht nicht aus; man muss ohne Hände und Augen verstehen, was das für ein Material und für eine Form ist. Es ist eine Geduldfrage, aber es kann einen auch geduldig machen. Daraus ist dann ihre Serie entstanden: „Die besten Küsser“ – denn Menschen die das können, küssen wohl auch sehr gut, sagt man.

All das hat stark mit Marie selbst zutun, mit ihrem Wunsch sich etwas anzueignen und das dann weitergeben zu können um kleine Momente und Begegnungen zu schaffen, die dann in Erinnerung bleiben. Sie möchte kleine Dinge initiieren, die eine Schönheit haben und dies dann mit anderen Leuten zu teilen. Aus dieser Freiheit des Spielerischen, scheinbar Beiläufigen, entstehen ihre besten Arbeiten. Für Marie war es kein fixes Konzept, sondern das Ding selbst, das sich seinen Weg suchte: Er war es, der sich verformen hatte lassen, er hätte ja auch reißen können, sich wehren können – das hat er aber nicht gemacht, er ist bis auf Weiteres durch sanften Einfluss in eine Form gebracht aus der er sich nicht mehr lösen kann.

Das Interesse gilt jedenfalls den Kirschen selbst aber auch den Bäumen auf welchen sie wachsen und die auch für Freiheit stehen: Schon als Mädchen ist Marie relativ unbemerkt auf Bäume gestiegen. Heute bleibt ihrer Mutter das Herz stehen, wenn sie ihr sagt, „von dem Baum bin ich auch schon einmal runter gefallen“, aber das hat genau etwas mit der  Selbstbestimmung zutun, die ihr so wichtig ist.

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