Schlüsselbund von N.N.

Interview mit Oliviu Moiseanu23.08.2016

Ein Schlüsselbund ist es, der im Vordergrund stehen soll, während sein Besitzer ungenannt bleiben möchte. Am Anfang gab es nur den Ring und ein rotes Band, an dem er in der Luft herumgewirbelt wurde, welches aber bald abriss. Mit der Zeit kamen mehr und mehr Schlüssel auf den Ring und das Gebilde wuchs wie ein kleines biographisches Kunstwerk, das uns Einblicke ins Leben seines Besitzers gewährt.

 

Die ersten Schlüssel öffneten die Haus- und Wohnungstür und wurden dem Interviewten mit Beginn seiner Volkschulzeit übergeben, damit er lernen konnte, auf wichtige Dinge aufzupassen und natürlich um in die Wohnung zu gelangen, wenn beide Eltern in der Arbeit waren. Manchmal werden die Schlüssel aber auch benötigt wenn ein Elternteil zu Hause ist, denn die Mutter dieses Jungen ist gehörlos und bemerkt nur durch eine Glühbirne oberhalb der Tür, ob jemand anläutet. Ist sie in einem anderen Teil der Wohnung, muss man oft stundenlang warten, bis einem die Tür geöffnet wird. Trotz aller Vorsicht verschwand der Bund eines Tages spurlos und tauchte erst zwei Jahre später genauso unerwartet in der Seitentasche einer Jacke auf. Der Bund ist inzwischen auf stattliche Größe angewachsen, denn kein Schlüssel wird entfernt. Selbst wenn sein Nutzen schon längst vorbei ist, findet man Spindschlüssel aus der Volkschulzeit, neben anderen, die noch in Gebrauch sind. Dabei ist dieser Gebrauch oft eher ruppig, denn der jugendliche Besitzer möchte sein Ziel so schnell wie möglich erreichen. Schon auf dem Weg nach Hause wird, in Erwartung der Tür, mit dem Bund gespielt. Türen sind Hindernisse, die es effizient zu überwinden gilt, eine lässt es sogar zu, dass man „den Schlüssel während dem Aufsperren herausziehen kann“.

„Der Schlüsselbund würde mich fragen, warum ich es so eilig habe, so unordentlich und faul bin und warum ich ihn immer ins Zimmer schieße.“ Früher wurde das Objekt nämlich öfters im Vorbeigehen blindlings ins Zimmer des Besitzers geworfen und verschwand oft in dunklen Ecken und Spalten. Heute kommt das seltener vor.

 

Etwas unsicher war sich der Interviewte über den dazugehörigen Schlüsselanhänger, den er eines Tages unerwartet von seinem Vater zugeworfen bekam und seit dem sehr lieb gewonnen hat. Es handelt sich dabei um eine metallene Darstellung eines Pärchens beim Koitus, das mit Hilfe eines kleinen Scharniers bewegt werden kann. Der Penis des Mannes ist abgebrochen was immer noch „richtig weh tut“. Trotzdem zieht der Anhänger nach wie vor die Aufmerksamkeit seiner Umgebung auf sich und amüsiert dabei nicht nur seinen Besitzer.

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