Strickkleid von Editha

Interview mit Ekaterina Holler30.07.2015
"...hinter den Materialien spüre ich die Emotionen der Leute."

Editha erzählte uns ihre Geschichte, die sie mit dem Strickkleid verbindet. Früher gehörte es ihrer Mutter: als professionelle Schneiderin hat sie es in den 50er Jahren selbst mit der Maschine gestrickt und dann genäht. Das Kleidungsstück besteht aus gelber Wolle mit grünem Ornament. In dieser Zeit gab es noch nicht so viele Fabrikproduktionen, und die Kleidung wurde üblicherweise von Schneiderinnen und Strickerinnen hergestellt. Das besagte Strickkleid war aber kein einfaches Modestück, sondern ein „Fernsehstar“. Im ORF gab es damals eine Handarbeitsendung „Für die Frau“, bei der Edithas Mutter oft mitgearbeitet hat. Einmal wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben, wo alle mitmachen durften, die mit ihren eigenen Händen etwas hergestellt haben. Edithas Mutter hatte mit dem speziell dafür angefertigtem Kleid teilgenommen und letztendlich einen Preis gewonnen. Das Kleid wurde dann offiziell vorgeführt.

Trotz seines Ruhms wurde das Kleid eigentlich nie getragen. Nur einmal vor 50 Jahre hat Editha es anprobiert, weil es ihr damals noch altmodisch erschien, aber hin und wieder hat sie es wem gezeigt. Die Mutter wollte aber das Kleid niemals weggeben: seit der Zeit ihrer Vertreibung aus Südmähren hat sie in sich ein besonderes Bewusstsein gegenüber Lebensmitteln sowie gegenüber hochwertige Stoffe entwickelt und deswegen das Kleid sehr achtsam aufbewahrt. Editha vermutet, dass Handarbeit den damaligen Frauen sehr geholfen hat, den Krieg zu überstehen und stark zu bleiben. „Heute heißt es Kunsttherapie“ – fällt der Frau ein.

„Meine Kindern und Enkelkindern ist es unverständlich, dass man solche Sachen mit der Hand macht – so Editha – meine Mutter hat da gestrickte Fleckerl zusammengefügt, gekräuselt und im Volant unten eingenäht, und wer sich nicht auskennt, kann gar nicht sagen, wie es gemacht wurde“ . Schon seit Kindheit hatte die Kleidbesitzerin einen besonderen Bezug zur Schneiderei, da sie praktisch mit ihr aufgewachsen ist. Inspiriert von ihrer Mutter ist Editha eine Handarbeitslehrerin geworden und setzt sich noch immer vertieft mit den Materialen auseinander. Sie glaubt von ihrer Mutter, die „die Formen zum Schnitt und auf dem Stoff bringen konnte“, diese besondere Sensibilität geerbt zu haben: sie kann hinter den Materialien die Emotionen von Leuten spüren. Editha pflegt und bewahrt noch viele andere gestrickte und genähte Sachen von ihrer Mutter auf, weil sie alle aus guten und hochqualitativen Stoffen sind. Einige Jacken von ihr trägt Editha noch immer, weil  sie weiß, was für Arbeit dahinter stecke und es keine bessere Qualität gebe, und moderne massengefertigte Modestücke kann man damit nicht vergleichen. Jetzt wird das Kleid von Editha sorgsam aufbewahrt und gepflegt und alle Paar Jahre schaut sie es an und meint, es wäre heute genauso tragbar wie damals, wenn nicht der Stoff so steif und dadurch das Kleid so schwer wäre. Bis lang hängt es noch immer im Schrank und wartet auf seines zweites Leben. „Vielleicht kommt es noch“ – äußert die Besitzerin ihre Hoffnung. Für sie bleibt aber das Kleid immer ein besonderes von ihrer Mutter hergestelltes Kunstwerk.

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